whatchado Worldtour 2014: Warum mir Reisen keinen Spaß macht

whatchado Worldtour 2014: Warum mir Reisen keinen Spaß macht

Unser Globetrotter Manuel war drei Monate auf einem Trip rund um die Welt um Storys aus China, Korea, Kambodscha, Singapur, Brasilien, Kanada und den USA einzufangen.  Diesmal bloggt er etwas anders: Über die Suche nach dem Glück und das Reisen an sich. Nächste Woche geht’s dann weiter in Vietnam & Singapur.

 

Einmal im Jahr fahren wir im engsten Freundeskreis für ein paar Tage in Europa auf Urlaub. Diese Zeit gehört sicherlich zu den Spaßigsten im Jahr. Hat man gute Freunde um sich, ist es relativ egal, wo man hingeht. Man wird immer einen Weg finden, Spaß zu haben. Beim Alleine-Reisen ist alles anders.

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So gut wie jede Person, der ich begegne, die halbwegs weltoffen ist und der ich erzähle, dass ich reise und gleichzeitig auch arbeite, findet das beneidenswert. Mit Reisen verbinden die meisten Menschen Spaß, Abenteuer und Entspannung. Sie denken, wenn jemand so lange reisen kann wie ich, ist das wohl etwas vom Schönsten, das es gibt und sie würden – wenn es ihre Lebenssituation zuließe – sofort dasselbe tun.

Reisen macht mir aber zu 80% der Zeit keinen Spaß. Klingt arg? Mag sein, aber es ist gut so und inzwischen ist mir der Spaß nicht mehr so wichtig.
Wieso dann das Ganze, wenn es keinen Spaß macht?

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Das Alleine-Reisen hat für mich viel mehr mit einer tiefgründigen Suche nach dem Glück zu tun. Spaß allein ist vergleichsweise ein oberflächliches und kurzweiliges Vergnügen. Damit möchte ich den Spaß nicht abwerten, ich bin ja selbst ein Wahnsinnsspaßfogel. Ich schreib zum Beispiel Vogel mit f usw.

Aber ich möchte mein Glück nicht von kurzlebigen Spaß-Zeiten abhängig machen. Ich möchte von Grund auf ein glücklicher Mensch sein. Und durch meine Reisen realisiere ich immer mehr: Nichts, was du erwirbst, nichts, was du tust und kein Ort dieser Welt, den du besuchst, wird dich glücklich machen. Selbst wenn du eine Leidenschaft für etwas besitzt, ist es doch immer ein Abhängigkeitsverhältnis. Was, wenn du dieser Leidenschaft auf einmal nicht mehr nachgehen kannst? Dann ist das vermeintliche Glück verschwunden. Was ist, wenn der Ort, den du so lieben gelernt hast, nicht mehr der ist, der er noch vor Jahren war? Schon bist du nicht mehr zufrieden.

Wo aber findet sich das Glück, das komplett unabhängig von äußeren Faktoren ist? In der Theorie kenne ich die Antwort, an der richtigen Umsetzung fehlt es noch, aber ich bin auf dem Weg dorthin.

„Traveling – it’s such a microcosm of life.“

Mein 58-jähriger Zimmerkollege aus New Jersey bringt es mit den diesen Worten auf den Punkt. Was man auf einer mehrmonatigen Reise erlebt, ist eine kleine Version der Lebensreise, die jeder von uns geht.

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Man entdeckt Neues. Man erwirbt neues Wissen. Man staunt über die Wunder der Natur und des Menschen. Man erlebt Momente tiefster Freude. Man kommt in Situationen, wo man an seine Grenzen getrieben wird. Man will aufgeben und zurück ins sichere Zuhause. Man verliebt sich und wird verletzt. Gefühle sind intensiver. Man lernt neue Freunde kennen, in kürzester Zeit. Aber diese Zeit fühlt sich ganz und gar nicht kurz an. Auf Reisen ist die Zeit oft um ein Vielfaches gestreckt und eine Woche wird zu einem Monat. Deshalb fällt auch der obligatorische Abschied so schwer. Man hat viele Abschiede und oft sind sie so schwierig, dass man eine Zeit lang lieber alleine bleibt.

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Nach jedem Abschied weiß man nämlich, dass man nun wieder auf sich gestellt ist und nur mit sich ist. Das kann ganz schön beängstigend sein. Wie viele Menschen in unserer beschäftigten Zeit verbringen tatsächlich auch nur 10 Minuten am Tag mit sich selbst? Meistens ist der Fernseher an, oder Facebook. Oder man ist beschäftigt auf der Arbeit. Oder man kocht. Oder man telefoniert. Oder oder oder.

Beim Alleine-Reisen muss man sich zwangsweise mit seinen (unbewussten) Gedankengängen auseinandersetzen und entdeckt dabei hochinteressante Sachen. Natürlich kann man sich auch auf einer Alleine-Reise mit Ablenkungen zuschütten.

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Internet, Kino, Bier und sonstige Ablenkungen gibt es in jedem Land. Das würde für mich aber den Zweck verfehlen. Vor meiner ersten Reise dachte ich, es geht um Spaß und darum, neue Kulturen kennen zu lernen. Ja, darum geht es auch. Und vor allem letzteres ist ein ganz wesentlicher Teil.
Für mich rückt aber der Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung immer mehr in den Vordergrund. Die Sehenswürdigkeiten der Welt zu betrachten, lässt mich oft erstaunen. Und doch ist es nur ein kurzer Moment, dann hab ich mich schon an den Anblick gewöhnt. Die vielen Touristen um mich herum rauben der Attraktion zusätzlich die Magie.

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Ist dieser kurze Augenblick all die Strapazen wert? Nein. Die Strapazen selbst aber sind es wert erlebt zu werden. Denn in Wirklichkeit sind es keine Strapazen. Das ist nur eine Bezeichnung, die mein Verstand gewählt hat, weil er gerade alles als anstrengend empfindet. Wende ich aber das Gelernte meiner Reisen an, dann weiß ich, dass es meine Entscheidung ist, ob ich den Weg als anstrengendes Mittel zum Zweck oder als das Ziel selbst betrachte. Sehe ich die Menschen auf meinem Weg als störend an, weil ich meine Ruhe haben will oder sind sie alle willkommene Wegbegleiter und Lehrer? Ärgert es mich, dass mein Flieger 5 Stunden Verspätung hat oder lehne ich mich entspannt zurück und sage mir, dass alles einen Grund hat?

Lernt man seinen Verstand zu kontrollieren und lässt sich nicht von ihm kontrollieren, ist man der „Wahrheit“ schon näher. Aber es gibt ein noch tieferes Geheimnis zum Glück, zu dem mich Eckhart Tolle mit denselben Worten jetzt mehr inspiriert als noch vor 10 Jahren. Ich nenne es Zeitlosigkeit. Die Ungebundenheit an Vergangenheit und Zukunft.

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Die Abschiede auf meiner ersten Reise waren für mich teilweise so herausfordernd, dass ich gezwungenermaßen lernen musste, nicht in die Vergangenheit zu schauen, sondern meinen Verstand auf die tollen Erfahrungen zu richten, die jetzt vor mir lagen. Und das funktionierte auch. Ich war optimistisch.
Auf meiner jetzigen Reise ist die Lektion eine andere: Das Glück findet sich weder in der Nostalgie der Vergangenheit, noch in den möglichen spannenden Erfahrungen der Zukunft. Das Glück liegt im Jetzt. In der Stille des Verstandes.

Der Verstand ist wie ein Computer. Man kann damit Spiele spielen, Filme schauen, Musik hören oder Excel-Tabellen erstellen. Das bestimmt man selber, wenn man es gelernt hat. Das ist alles schön und gut, aber was, wenn man nicht weiß wie man den Computer abschaltet?
Die meisten Menschen haben nie gelernt den Computer  des Verstandes runterzufahren und somit blickt man immer auf den Bildschirm und lässt sich von den Programmen berieseln. Auschalten erfordert Mut. Weil, was dann? Was bleibt? Langeweile? Stille? Glück wohl kaum, oder?

Und nein! Nur weil ich das echte Glück noch nicht gefunden hab, bin ich nicht unglücklich. Mir geht’s grad echt super ;)

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Die Moral von dem Ganzen: Glück ist nicht dasselbe wie Spaß und der Nachbar hat immer das grünere Gras. Reisen ist eine individuelle Erfahrung, wie das Leben eben. Es kann jede Menge Spaß machen, macht aber vielleicht nicht glücklich. Man kann viel daraus lernen oder gar nichts. Jedem, der also mit dem Gedanken spielt, alleine auf Reisen zu gehen, sollte klar sein, dass man mit Fragen konfrontiert wird, die einem den Spaß verderben, jedoch dem Glück näher bringen können. Ob man es sich zur Mission macht, die Antworten darauf zu finden oder lieber Jet-Ski fährt, bleibt jedem selbst überlassen. Vielleicht führen ja mehrere Wege nach Rom.

 

Nächster Halt: Vietnam & Singapur

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