Beruf + Berufung: Loblied aufs einfache Leben

Beruf + Berufung: Loblied aufs einfache Leben

b+b_Hans_AdelmannHans Adelmann, Autor

Er war der erste Mitarbeiter seines Halbbruders Frank Stronach, der es später zu Reichtum und Ruhm brachte, doch Hans Adelmann spürte bald, dass er nicht Erfolg anstrebte, sondern stilles Glück. 50 Jahre später hat Adelmann ein Loblied auf das einfache Leben und die vielen Wunder am Wegrand verfasst. Sein Bruder kämpfte derweil mit 25 Millionen Euro um die Wählergunst in Österreich.

Interview: Mathias Morgenthaler

 

 

Herr Adelmann, Sie haben ein Buch geschrieben über das einfache Leben und das Glück in der Stille. Nun eilen Sie von Medientermin zu Medientermin. Fühlen Sie sich nicht im falschen Film?

HANS ADELMANN: Für einen Laien im Umgang mit Medien ist das eine sehr interessante Erfahrung, in kurzer Zeit mit über 40 Print-, Radio- und Fernsehjournalisten zu tun zu haben. Erstaunlicherweise war ich sogar vor den TV-Auftritten ganz ruhig, mein Puls lag 10 Schläge tiefer als im Normalfall.

 

Wie wäre das Echo ausgefallen, wenn Sie nicht der Halbbruder des Unternehmers und Multimilliardärs Frank Stronach wären, der die österreichische Politik aufgemischt hat?

Dann hätte kaum jemand von meinem Büchlein Notiz genommen. Ich werde immer das Anhängsel meines Bruders sein, dessen bin ich mir bewusst. Ohne ihn wäre ich nicht von Interesse für die Medien. Einmal hat mich eine Journalistin um 23 Uhr angerufen, um mich zu fragen, ob mein Bruder schon einmal fremd gegangen sei. Frank polarisiert, aber ich habe nicht die Absicht, Öl ins Feuer zu gießen. Ich war immer stolz auf Frank, der in seinem Leben 300 Firmen gegründet und mit Magna den größten Autozulieferer aufgebaut hat. Und Frank war immer gut zu uns, hat uns unterstützt.

 

Gleichwohl könnten Sie und Ihr Halbbruder kaum gegensätzlicher sein. Hier der pensionierte Schulhausabwart mit einer Vorliebe für die Einsiedelei, dort der 80-jährige Milliardär, der 25 Millionen Euro in den Wahlkampf steckt und mit dem Privatjet durch die Welt jettet. Wie oft sehen Sie sich?

Wir haben uns mehr als 20 Jahre nicht mehr gesehen. Immer, wenn ich anrief, um etwas auszumachen, sagte seine Frau, Frank sei gerade in Tokio oder in Brasilien oder sonst wo in der weiten Welt. Selbst wenn er ans WEF nach Davos kommt, hat er so viele Termine mit wichtigen Leuten, dass er nicht einfach einen Abstecher nach St. Gallen machen kann. Wir telefonieren ein paar Mal pro Jahr und bleiben so in Kontakt.

 

Haben Sie gemeinsame Themen?

Wir reden über die Familie, über die Gesundheit. Über Geschäftliches oder Politik unterhalten wir uns kaum. Außer einmal, da fragte ich ihn, warum er sich das noch antut in seinem Alter, dieses schmutzige Geschäft der Politik. Er sagte, er habe nichts zu verlieren außer Geld, und davon habe er genug. Frank war zeitlebens extrem ehrgeizig, ein Workaholic, und jetzt war er halt in politischer Mission unterwegs. Natürlich hat er auch die Erfahrung gemacht, dass man mit Geld viel verändern kann. Macht macht Geld und Geld verleiht Macht.

 

Sie waren Frank Stronachs erster Mitarbeiter, als er in Toronto seine Autozulieferfirma aufbaute. Warum haben Sie es dort nicht lange ausgehalten?

Wir waren einfach zu verschieden. Frank war ein Perfektionist, besessen davon, der Beste zu sein. Man konnte die Arbeit nie gut genug machen für ihn. Einmal fertigte ich an der Drehmaschine einen Bolzen, mit dem man Löcher in die Pleuelstangen schlagen konnte. Ich hatte den Bolzen schon poliert, aber Frank war unzufrieden, er verlangte eine zweite, dritte, vierte Version. In dieser Zeit überlegte ich, was ich vom Leben wollte, ob es wirklich mein Ziel war, mich hier abzurackern, um mir dann 3 TV-Geräte und ein Luxusauto leisten zu können. «Frank», sagte ich, «ich will nicht reich werden, ich will glücklich sein.» Er entgegnete: «Wie kannst du glücklich sein, wenn du faul bist?» «Ein Ochse ist auch fleißig», sagte ich. «Trotzdem ist er niemals glücklich. Er ist kastriert und der Bauer treibt ihn beim Pflügen mit einem Stachel an.» Frank sagte nur: «Ich habe nicht vor, ein Ochse zu sein. Einmal werde ich den besten Champagner trinken.»

 

Sie haben dann mit Ihrer Frau viele Reisen gemacht und ein einfaches Leben geführt. Haben Sie Reichtum und Glück als Gegensätze empfunden?

Wer immer der Beste sein will, verdient viel Geld, aber er bleibt unter Umständen der Gefangene dieses Bestrebens. Mir war klar: Um glücklich zu sein, muss ich frei sein. Das gelingt eher, wenn ich ein einfaches Leben führe. Der wahre Luxus ist doch, Zeit zu haben und bewusst unterwegs zu sein. Vor 20 Jahren fragte mich Frank, ob ich nicht in einem seiner Betriebe in den Rocky Mountains Hauswart werden möchte. Ich wusste sofort, dass ich – wie alle seine Mitarbeiter – sehr viel verdienen und sehr viel arbeiten würde. Ich hätte also keine Zeit mehr gehabt für alles, was mir wichtig ist, die Berge, die Tiere, die Natur. Ich sage nicht, dass mein Weg richtig ist und seiner falsch, aber ich glaube, jeder Mensch tut gut daran, intensiv darüber nachzudenken, was er braucht, um glücklich zu sein. Geld wird oft mit Freiheit in Verbindung gebracht. Ich habe die Erfahrung gemacht: Eigentum belastet. Ich besitze fast nichts und habe deshalb auch keine Verlustängste.

 

Deshalb macht ein einfaches Leben glücklicher?

Hat man wenig Geld und viel Zeit, ist schon viel gewonnen. Die Reisen, die ich als junger Mann praktisch ohne Geld mit Rucksack und Schlafsack unternommen habe, gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Die viele Zeit, die ich in der Natur verbringen durfte, hat mich sehr geerdet. Ich bin über 2000 Mal auf die Hundwiler Höhe gestiegen, habe den Berg und den Wald und das Firmament gesehen und gefühlt, dass ich nicht alleine bin. Das Glück liegt am Wegrand, man muss es nur sehen. Wer einfach lebt, hat einen besseren Blick für das Wesentliche.

 

Nach Ihrer Pensionierung gingen Sie als Pilger auf den Jakobsweg. So etwas machen inzwischen auch Manager ganz gerne.

Tatsächlich, ich war während dreier Tage mit einem deutschen Siemens- Manager unterwegs, der 5000 Leute unter sich hatte. Er sagte mir später, das sei die beste Erfahrung seines Lebens gewesen, unendlich viel wertvoller als Luxusferien auf den Malediven. Ich bin in zwei Tranchen 3400 Kilometer gewandert von St. Gallen bis ans Kap Finisterre. Die ersten drei Wochen waren zum Heulen, alles tat weh, man ist auf sich selber und seine Probleme zurückgeworfen. Irgendwann wird es unbeschreiblich schön. Auf der Messeta-Hochebene beobachtete ich längere Zeit eine Lerche. Schließlich begleitete der Vogel mich über mehrere Kilometer. Es war ein sehr seltsames Erlebnis, weil ich das bestimmte Gefühl hatte, es könnte mein 1968 verstorbener Vater sein, der mir da zur Seite stand. So etwas ist in der Alltagshektik nicht möglich.

 

Sie sind nun 73-jährig und seit einem Hirnschlag 2005 auf Blutverdünner angewiesen. Was wünschen Sie sich noch für Ihr Leben?

Ich bin sehr dankbar für alles und habe keine Angst vor dem Tod. Es wäre schön, auf einer Wanderung zu sterben und dann auf der Hundwiler Höhe am Waldrand begraben zu werden. Ich brauche kein Monument. Mit dem Abschied eilt es mir aber nicht, denn ich würde zu gerne meine Enkelkinder noch aufwachsen sehen. Bis vor kurzem gab es in unserer Familie ausschließlich Mädchen, jetzt hat meine Tochter im letzten Herbst einen Sohn zur Welt gebracht. Seither wünsche ich mir, meinen Enkel später zum Pilzsuchen mitzunehmen, ihm zu zeigen, wo man die schönsten Steinpilze findet, welche Blumen und Tiere es gibt. Wer weiß, vielleicht werde ich ja 95-jährig mit Blutverdünner. Dank meinem Buch wird in jedem Fall etwas von meinen Erfahrungen an die nächsten Generationen weitergegeben.

 

Das Buch: Hans Adelmann: Einfacher leben. Edition A, Wien 2013.

 

Weitere Interviews mit Querdenkern und Unternehmerinnen auf www.beruf-berufung.ch

Das Buch zum Thema: www.aussteigen-umsteigen.ch

 

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