Beruf + Berufung: «Eine Passion zu teilen, gibt dem Leben zusätzlichen Sinn»

Beruf + Berufung: «Eine Passion zu teilen, gibt dem Leben zusätzlichen Sinn»

Bettina Plattner-Gerber, Unternehmerin in Partnerschaft

Wie ist das, wenn der Lebenspartner auch der Geschäftspartner ist? Worauf müssen Paare achten, die gemeinsam ein Unternehmen führen? Bettina Plattner-Gerber kennt diese Arbeitsform «zwischen Himmel und Hölle» aus 20-jähriger Erfahrung. Sie sieht in der speziellen Kombination einen Marktvorteil fürs Unternehmen. Ein neues Handbuch* zeigt, welche Fragen Paare unbedingt klären sollten.    

Interview: Mathias Morgenthaler    Foto: ZVG

 

Frau Plattner, Sie arbeiten seit 20 Jahren mit ihrem Mann zusammen. War der Leidensdruck so gross, dass Sie ein Buch darüber schreiben mussten?

BETTINA PLATTNER-GERBER: Nein, keineswegs. Die Entwicklung, die mein Mann und ich gemeinsam gemacht haben, ist eine Erfolgsgeschichte. Wir haben als Geschäftsleitungsmitglieder das Hotel Saratz Pontresina mitgeprägt und als Direktionspaar das Hotel Castell in Zuoz neu positioniert und während acht Jahren geführt. Vor drei Jahren haben wir uns selbständig gemacht. Aber natürlich gab es Leidenszeiten, die eng damit verknüpft sind, dass wir gewissermassen mit dem Job verheiratet sind.

 

Was gab den Anstoss, ein Handbuch zu schreiben für Führungs- und Unternehmerpaare?

Als mein Mann und ich das Hotel Castell übernahmen, merkten wir bald, wie anspruchsvoll es ist, als Paar eine Cheffunktion zu teilen. Das fängt schon mit der Frage nach der Hierarchie an. Man liest ja oft von erfolgreichen Unternehmern, wie sie ihrer Partnerin danken, die ihnen den Rücken freihielt und immer verständnisvoll war etc. Ich wusste aber von Anfang an, dass ich mich nicht meinem Mann unterordnen und die Perle im Hintergrund sein wollte, sondern eine gleichwertige Direktorin. Das hatte zur Folge, dass wir im Detail aushandeln mussten, wer in welchem Bereich das Sagen hat. Wenn Paare es versäumen, den Führungsanspruch genau zu klären, führt das zu Konflikten und Unzufriedenheit. Mein Mann und ich haben viel gelernt in den zwei Jahrzehnten. Viele Paare arbeiten in ähnlicher Konstellation, nicht nur in der Hotellerie und Gastronomie, sondern auch Ärztepaare, Architekten, Schreiner, Bauern und andere. Da es keine deutschsprachige Publikation zu dieser Thematik gab, machten sich meine Co-Autorin und ich an die Arbeit.

 

Die meisten Paare sind froh, dass Berufs- und Privatleben nicht zusammenfallen.

Es ist tatsächlich eine grosse Herausforderung, fast das ganze Leben gemeinsam zu bewältigen. Als Unternehmer-Paar haben wir sehr viele Hüte auf. Wir sind Partner, Eltern, Manager und Privatpersonen. Jede Rolle erfordert andere Kompetenzen und Kommunikationsformen. Es ist extrem wichtig, die Rollen nicht zu vermischen. Wenn ich eine Projektidee meines Mannes im Büro sabotiere, bloss weil ich frustriert bin, dass die Kinderbetreuung an diesem Abend schon wieder an mir hängen bleibt, ist das fatal. Wir halten uns hier an den Grundsatz «box the problem». Wenn wir das Problem benennen, einem Feld zuordnen und dort lösen, tangiert es unsere anderen Rollen nicht. Das gilt auch für die Umgangsformen. Wenn mein Mann im Büro einen etwas forschen Ton anschlägt, sollte ich mich nicht als seine Partnerin dadurch verunsichert fühlen.

 

Ist die Abgrenzung nicht enorm schwierig, wenn man auch am Sonntag am Frühstückstisch über wichtige Projekte sprechen kann, weil der Geschäftspartner ohnehin am Tisch sitzt?

Smartphones und Tablets führen dazu, dass es für Berufsleute zunehmend schwierig ist, abzuschalten und sich zu entspannen. Für Unternehmerpaare ist es vermutlich noch schwieriger. Es lohnt sich, ein paar Massnahmen zu treffen. Wir haben beispielsweise zuhause einen Filzkorb, in dem wir unsere Handys regelmässig verschwinden lassen – das gilt auch für die beiden Kinder im Teenageralter. Und wir verabreden uns regelmässig mit Freunden, um auf andere Gedanken zu kommen. Aber es ist klar: Jetzt, wo wir einmal mehr eine Firma aufbauen, beschäftigt uns das im Prinzip 24 Stunden pro Tag. Es ist ja auch schön, Projekte zu teilen, sich jederzeit austauschen zu können. Manchmal bremsen uns unsere Kinder, indem sie sagen, jetzt hätten sie genug von diesen Geschäftsthemen gehört. Gleichzeitig interessiert es sie – beide haben sogar schon gefragt, ob sie die Firma später einmal übernehmen können. Ich bin dankbar, dass unsere Kinder mitbekommen, was wir machen.

 

Bietet die Konstellation unternehmerische Vorteile?

Wenn Paare ein Unternehmen führen und sich gut organisieren, bekommt die Firma das Beste aus zwei Welten: doppelten Leadership, doppelten Spass, doppelte Energie, doppeltes Knowhow, problemlose Stellvertretungen und eine enorme Loyalität und Solidarität. Dies führt sogar zu einem Marktvorteil, den auch die Banken sehen: paargeführte Unternehmen bieten grosse Stabilität und Verlässlichkeit und können daher auch Durststrecken überstehen. Das minimiert das Ausfallrisiko bei Bankkrediten. Natürlich gibt es den Super-Gau, dass die Beziehung zerbricht. Dann ist oft auch das Unternehmen stark gefährdet.

 

Und wie wirkt sich die Konstellation auf die private Beziehung zu Ihrem Mann aus?

Klar, die permanente Nähe ist ein Risikofaktor für eine Beziehung, das muss man aushalten können. Ich sehe darin aber auch eine grosse Chance. Wenn man sich wahnsinnig gerne hat und sich gegenseitig Sorge trägt, dann bietet die Konstellation ein enormes Potenzial zur Vertiefung einer Beziehung. Eine Aufgabe und Passion zu teilen, stärkt die Partnerschaft und gibt dem Leben zusätzlichen Sinn. Viele Beziehungen leiden ja darunter, dass sich beide Partner beruflich stark oder unterschiedlich engagieren, sich wenig Zeit füreinander nehmen und so mit der Zeit auseinanderleben. Wir stehen auf einem gemeinsamen Fundament und bleiben auf Augenhöhe im Austausch. Und wir machen uns nie Vorwürfe, wenn einer bis tief in die Nacht hinein arbeitet. (Lacht)

 

Der Nachteil ist: eine Verstimmung im Privatleben kann den Arbeitsalltag vergiften.

Ja, deshalb braucht es viel guten Willen und Zeit für Austausch und Absprachen. junge Paare unterschätzen diesen Aspekt manchmal. Sie vernachlässigen die Planung und Verständigung und merken erst spät, dass es unterschiedliche Vorstellungen gibt. Wichtige Fragen, die man früh klären sollte, sind etwa: Was wollen wir? Was ist uns wichtig? Wie teilen wir uns auf? Wie klären wir die Finanzen? Wollen wir eine Familie und wer übernimmt dann welche Aufgaben? Wer hat welche Kompetenzen und Interessen? Wenn solche Fragen ausgehandelt werden, stärkt dies das Unternehmen und die Beziehung. Weil man als Unternehmerpaar sehr verletzlich ist, quasi permanent zwischen Himmel und Hölle lebt, braucht es besonders viel Disziplin und Klarheit in der Kommunikation.

 

Sie haben mit der Firma Plattner & Plattner ein neues Ferienwohnungskonzept lanciert, sind als Dozentin und Referentin tätig, machen Projektentwicklung, planen eine Kunstgalerie, sind Kreisrätin, Ehefrau, Mutter zweier Teenager… wie geht das alles unter einen Hut?

Die Tatsache, dass mein Mann und ich zusammen leben und arbeiten, gibt dem Ganzen viel Stabilität. Früher war dieses Modell der Normalfall, die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben ist ja eine relativ neue Erscheinung, die einige Probleme mit sich bringt. Wir leben eher das Prinzip Bauernhof. Wir übernehmen beide zahlreiche Rollen, die alle gleichwertig sind. Es käme niemandem in den Sinn, das Rasenmähen höher zu bewerten als das Kühe-Melken oder die Schweinezucht. Ähnlich leben wir in einem Gleichgewicht zwischen der Sorge um Kinder und Eltern, Haushalt, politischem Engagement, beruflichen Projekten und freier Zeit für uns. Es ist ein grosses Ganzes, dem wir uns beide verbunden fühlen und das uns Halt gibt.

 

Das Buch:
Lianne Fravi/Bettina Plattner-Gerber: Wenn Paare Unternehmen führen. Ein Handbuch. Kösel-Verlag, München
 2013. 390 Seiten, 29.99 Euro.

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Starkes Duo: Richard Plattner und Bettina Plattner-Gerber.

 

 

Weitere Interviews mit Querdenkern und Unternehmerinnen auf www.beruf-berufung.ch

Das Buch zum Thema: www.aussteigen-umsteigen.ch

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