whatchado Worldtour 2014: Kein Samba in Sampa

whatchado Worldtour 2014: Kein Samba in Sampa

Unser Globetrotter Manuel war drei Monate auf einem Trip rund um die Welt um Storys aus China, Korea, Kambodscha, Singapur, Brasilien, Kanada und den USA einzufangen.  Hier bloggt er über seine Erfahrungen. Weiter geht’s in Sao Paulo!

In Sao Paulo – oder kurz „Sampa“ – bin ich wieder Mal als Couchsurfer unterwegs. Julian&Juliana, ein nettes brasilianisches Pärchen in meinem Alter hat mir ein Zimmer in ihrer Wohnung zugesagt. Leider erkenne ich erst am Tag meiner Anreise, dass sie so knapp an der Grenze der Stadt leben, dass ich eine halbe Stunde zu Fuß gehen muss, um die Zugstation mit dem Zug Richtung Stadt überhaupt zu erreichen, der dann noch einmal eine Stunde bis zum Zentrum benötigt. Sie erklären mir, dass es da aber eh einen Bus gebe, dann müsst‘ ich nicht zu Fuß gehen, sie wissen nur nicht, wie der heißt.

Schon am ersten Abend nehmen sie mich in eine Karaokebar mit. Julian hat Geburtstag. Viele Gäste kommen nicht und so sitzen wir zu viert um einen Tisch und singen heiter brasilianische Songs und Beatles. Alle grölen und tanzen mit, auch die Leute am Nebentisch. Samba tanzen sie nicht, aber Forró. Auch schön anzusehen.

Auf der Rückfahrt diskutieren wir wieder über die üblichen Themen: WM, Korruption, Politik, Mord, fehlende Zukunftsperspektiven für junge Leute und die Verkehrssituation in Sao Paulo. „Wenn ich in die Rush Hour komme, kann es sein, dass ich 3 Stunden im Stau stehe. Deshalb nehm‘ ich nur noch den Zug“, erklärt mir Juliana. Julian hingegen hat sich eine Wohnung gleich neben seiner Arbeit gesucht – oder umgekehrt – und braucht jeden Tag nur 15 Minuten in die Arbeit.

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Auf dem Weg nach Brooklin

Die Rush Hour und den Wahnsinnsverkehr in dieser riesigen Stadt darf ich selbst miterleben. Am dritten Abend fahren wir auf eine Party in der Innenstadt und sind statt 20 Minuten fast eine Stunde unterwegs. „Ein Freund von mir hat inzwischen chronische Knieschmerzen“, erklärt mir Julian, um die Problematik des ständigen Gas-Bremse-Kupplung-Pedal-Drücken in den täglichen Staus zu verdeutlichen.

Staus gibt es aber nicht nur auf den Straßen, auch in den U-Bahn-Gängen steht man an.

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In meinen 5 Tagen in Sao Paulo sehe ich nicht besonders viel von der Stadt. Japan lässt mich irgendwie nicht los und ich lande auf meiner Erkundungstour in Liberdade, ein bekanntes Viertel der Stadt, in der die größte japanische Gemeinde außerhalb Japans zu finden ist.

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Am 3. Tag heißt es wieder Interviews bei Voith drehen. Ich mache denselben Job wie vor 1 Monat in Shanghai – 18.500km entfernt, der Ablauf ist gleich. Diesmal werde ich von einem sympathischen Taxifahrer abgeholt. Wieder einmal spreche ich die Landessprache nicht und er versteht kein Englisch. Wieder ist das Firmengelände weit außerhalb der Stadt. Nur eine Sache ist anders. Ich muss dringend aufs Klo.

Favelas am Rande der Stadt

Favelas am Rande der Stadt

Ich sitze seit einer halben Stunde auf der Rückbank und habe angefangen zu meditieren. „Mind over Matter“, denke ich mir und versuche mit Willenskraft meine Blase zu kontrollieren. Warum musste ich heute in der Früh auch so viel Wasser trinken? Ich versuche mit meinen Italienisch- und kaum vorhandenen Spanischkenntnissen den Fahrer zu fragen, wie lange wir denn noch brauchen. Nach viel Zeichensprache verstehe ich, dass wir noch gut eine Stunde unterwegs sind. Meine Blase schluckt. In meinem Kopf rattert es. Wie erkläre ich dem Lenker nun in Zeichensprache, dass ich aufs Klo muss?

Ich versuche es mit internationalen, englischen Begriffen für WC, er versteht mich nicht. Wir sind mitten auf der Stadtautobahn, das Auto fängt nun auch an zu rattern und schüttelt meine Blase noch mehr durch. Mir gehen diverse, mögliche Szenarien im Kopf durch, wie das Ganze enden könnte. Auf einmal erinnere ich mich zurück an Rio, wo ich einen meiner brasilianischen Wegbegleiter nach dem Wort für WC gefragt habe. „Baniedo!“, rufe ich aus und klopfe dem Fahrer auf die Schultern. „Baniedo?“, fragt er. „Baneiro?!“, antworte ich fragend. „Aaah, Banheiro!“, meint er lächelnd. „Sim, sim!“, sage ich hektisch und deute auf ein Waldstück, neben der Straße. Mir war alles egal. Doch er findet schnell eine Tankstelle und ich endlich Erleichterung. So gut hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt – jetzt konnte der Dreh beginnen.

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Bei Voith selbt begegnet mir der HR IT Manager von Voith Sao Paulo, ein äußerst netter Kerl, und erzählt mir von seiner Zeit in Deutschland. Auch hier finde ich neben ihm Einheimische, die lange genug in Heidenheim gelebt haben, um gut auf Deutsch kommunizieren zu können. (Noch nie von Heidenheim gehört? Ich bis zu meiner Begegnung mit Voith auch nicht.)

Auch dieses Mal riskieren wir es und machen ein Interview auf Portugiesisch. Dieses Mal versteh‘ ich sogar die eine oder andere Aussage, da sie dem Italienischen manchmal gar nicht unähnlich ist. Insgesamt machen wir 7 Interviews und ich bin wieder froh, dass die whatchado-Fragen auch auf dieser Seite der Welt funktionieren.

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Tadeu Azevedo ist Head of International Services bei Voith Brazil. Zum Glück spricht er Englisch. (Bald auf whatchado.com)

Bevor ich in das Taxi heimwärts steige, gehe ich noch auf die Toilette. Am Abend gibt es dann leckeres brasilianisches BBQ bei meinen Gastgebern. Dabei finden Julian und ich heraus, dass wir beide Jamiroquai-Fans sind und schauen uns den restlichen Abend Musikvideos an. So kann ein Tag ausklingen.

An meinem vorletzten Tag treffe ich mich mit einer alten Bekannten, der ich bisher nie begegnet bin. Seit gut 10 Jahren tauschen wir Emails miteinander aus. Was uns verbindet, ist das Thema Film. Wir hatten uns damals auf einer Brief-Freunde-Seite kennengelernt (gibt’s sowas heute überhaupt noch?), da ich damals fasziniert von dem brasilianischen Film „City of God“ war und seither immer nach Brasilien und Leute von dort kennen lernen wollte. Über die Jahre haben wir uns immer wieder über unsere aktuellen Kurzfilmprojekte unterhalten und nun war endlich die Zeit gekommen, uns zu treffen. Als wir uns trafen, war es als würden wir uns tatsächlich schon ewig kennen. Es war eine Begegnung zwischen zwei Freunden, die sich länger nicht gesehen hatten. Wir spazierten einen halben Tag lang durch Sao Paulo, probierten eklige, lokale Süßspeisen und redeten über Gott und die Welt, die sich für mich an diesem Tag wieder ein Stückchen kleiner anfühlte.

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Meine Bekannte „Mad“, die Filmliebhaberin aus Santos

Auch wenn Sao Paulo nicht die schönste Stadt Brasiliens ist und die Leute hier nur herkommen, um Geld zu verdienen und dann wieder abhauen, weil sie die Stadt nicht mögen, so durfte ich hier doch tolle Erfahrungen machen. Mein nächstes Ziel ist Buenos Aires. Wenige Tage zuvor hatte ich eine Nachricht von einem guten Kumpel erhalten: Er hat ein gutes Flugangebot gefunden, spontan gebucht und kommt nach Buenos Aires mich besuchen. Ein letztes Mal sollten wir also gmeinsam die Straßen einer (fast) europäischen Stadt erkunden, bevor er endgültig nach L.A. ziehen würde. Das freut mich natürlich sehr, da ich ihn sonst wohl nicht mehr begegnen würde und der Abschied von Brasilien fällt mir nicht schwer.

 

Nächster Halt: NYC

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