whatchado Worldtour 2014: New York Times

whatchado Worldtour 2014: New York Times

Unser Globetrotter Manuel war drei Monate auf einem Trip rund um die Welt um Storys aus China, Korea, Kambodscha, Singapur, Brasilien, Kanada und den USA einzufangen.  Hier bloggt er über seine Erfahrungen. Weiter geht’s in New York City!

 

Nach einer entspannten und heiteren Woche mit meinem Kumpel in Buenos Aires lande ich endlich in der Stadt, in die ich eigentlich nie wollte – New York. Eigentlich wollte ich nie in die USA. Die Vereinigten Staaten waren das Land, das auf meiner To-See-Liste ganz weit unten stand.

Wenn ich aber schon Mal „in der Gegend bin“, warum sollte ich so eine Weltstadt auslassen? New York sollte in den kommenden 10 Tagen tatsächlich eine eigenartige Faszination auf mich ausüben.

IMG_8011

Ich war etwas besorgt, da mein Flieger erst nach Mitternacht ankommt und ich die Nacht am Flughafen verbringen müsse. Zu meiner Überraschung fahren die New Yorker U-Bahnen aber 24 Stunden 7 Tage die Woche, sogar vom JFK-Airport. Ich erreiche also in kürzester Zeit mein Hostel und werfe mich ins noch freie Bett im 4er-Zimmer. Die Wände sind hauchdünn und reichen nicht bis zur Decke. Man hört die Leute im Nebenzimmer schnarchen, 6 Meter vom Fenster entfernt rattert im 10 Minuten Takt die U-Bahn vorbei. Die hört man auch. Ich gleich nicht mehr. Ich steck mir meine Oropax in die Ohren und schlafe schon bald wie ein Baby.

IMG_7962 IMG_7938 IMG_8045

An meinem ersten Tag in New York fühle ich mich, als würde ich durch eine Filmkulisse spazieren. Die Straßen, die Gebäude, die Taxis – das alles kenn ich nur aus Filmen. Ich sehe eine Gruppe Latinos bei offener Autotür zu lateinamerikanischen Klängen aus dem Radio tanzen (oder posen), Afroamerikaner, die sich im New Yorker (Brooklyner) Slang über das Leben unterhalten und Chinesen, die an jeder 2. Ecke Waschsalons eröffnet haben. Ich erlebe Operngesänge in U-Bahnstationen, spontane „U-Bahn“-Tänzer, die zu Hip-Hop Musik an den Haltestangen im Wagon herumturnen und begegne vielen, eigenartigen Leuten aus aller Herren Länder. Ich liebe es! Was mich überrascht: Ich sehe kaum alte Leute in New York. In den öffentlichen Verkehrsmitteln komme ich nie in die Situation, einer älteren Dame meinen Sitz anzubieten, weil ich dort keine älteren Damen sehe. In Wien ist das anders. Aber Wien ist ja bekanntlich anders.

Als ich meiner Freundin von New York berichte, erzählt sie mir von einem bekannten New Yorker Tattoo-Künstler, dessen Werke sie so toll findet und wie gern sie den doch kennenlernen würde. Ich sag‘ im Spaß, dass ich ihn ja Mal für ein Interview anfragen kann. Nach kurzer Internetrecherche habe ich seine Email-Adresse gefunden und schreib ihn an. Er sagt tatsächlich zu und es stellt sich heraus, er arbeitet nur 10 Gehminuten von mir entfernt und nur einen Tag später besuche ich ihn in seinem Studio.

 

Stephanie Moyers – die Powerfrau bei Estee Lauder New York

Ich schau‘ mir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt an, mache aber diesmal verhältnismäßig wenig Fotos. Ich bin es gerade ein bisschen Leid, jedes Mal automatisch meine Kamera rauszuziehen, bevor ich überhaupt den Anblick richtig genießen konnte und fotografiere kaum oder weniger touristische Spots.

IMG_8062

IMG_8111

Österreich braucht diese Mülltonne! (Heute auch.)

Österreich braucht diese Mülltonne! (Heute auch.)

IMG_8093 IMG_8094

Außerdem lerne ich auf die harte Tour, dass das ständige Fotografieren von Dingen, die ich vielleicht witzig oder interessant finde, mehr kostet als nur Zeit. In einem Supermarkt mache ich ein Handyfoto von einem Käse (!), danach fehlen mir 50$. Ich kann nicht beschwören, dass sie mir beim Rausziehen des Handys runtergefallen sind oder ob sie mir dieser kleine, verdächtige Junge aus der Hosentasche gezogen … nein, im Zweifelsfall ist man immer selber Schuld. Ich hätte wohl doch lieber eine Geldtasche einstecken sollen, als mit einem 50$-Schein in meiner Tasche rumzulaufen. Das Geld jedenfalls bleibt, auch nachdem ich meinen zurückgelegten Weg absuche, verschwunden – nicht dass ich jemals große Hoffnungen hatte, es wiederzufinden.

IMG_8082

Während meines 10-tägigen New York Aufenthalts übernachte ich in 3 Hostels. Das in Brooklyn (und Brooklyn selbst) gefällt mir am Besten. Ich wechsle dort nach der ersten Nacht in ein Einzelzimmer, das niemand haben will, direkt neben den Gleisen der U-Bahn. Für mich das ideale Zimmer, weil es das einzige ist, das ein Fenster hat. Außerdem liebe ich den typischen NY-Ausblick, der sich mir bietet.

Dann wohne ich in einem viel ruhigeren Teil von Brooklyn mit einer netten Bar, die ich zuerst nur besuche, um das WIFI zu nutzen. Dort erzählt mir eine Mitte 60-jährige Afroamerikanerin, dass die Schwarzen in dem Viertel langsam von Politik und Wirtschaft rausgedrängt würden. Die Grundstückspreise werden immer teurer und wohlhabende Weiße kaufen diese. Früher war das eine rein schwarze Gemeinde und dasselbe passiere auch in der Bronx. Rassismus sei heutzutage allgemein viel subtiler, meint sie. Man merke es an den neuen, weißen Gemeindemitgliedern. „They don’t say it but I can tell by their looks, when I walk down the street, they feel uncomfortable around black people.“ Ich beurteile ihre Einschätzungen nicht, sie scheint schon sehr viel erlebt zu haben und ich finde ihre Erzählungen, wenn auch etwas deprimierend, sehr interessant.

IMG_7933

Die letzten 3 Nächte verbringe ich in einem Hostel in Manhattan – die wohl teuerste Gegend New Yorks. Es liegt gleich an der Ecke des riesigen Central Parks im Norden und ist verhältnismäßig sehr günstig – dafür teile ich mir das unabsperrbare Zimmer mit 5 anderen. Ich habe bis jetzt noch nicht entschieden, wann ich NY verlassen werde und wohin ich als nächstes gehen würde. Ich bin schon länger hier, als ich eigentlich geplant hatte und ich merke, das Geld wird knapp in dieser teuren Stadt. So sehr mir NY auch gefällt, in der 2. Nacht spüre ich, dass ich weiter muss. Ich habe auch hier tolle Leute kennengelernt, bin auf Partys gegangen und habe spannende Interviews geführt. Doch plötzlich hält mich hier nichts mehr und ich buche am nächsten Tag einen Zug nach Montreal um 30€.

Die Fahrt im Amtrak (die amerikanische ÖBB) dauert über 11 Stunden und ist für mich die wahrscheinlich angenehmsten Zugfahrt meines Lebens. Die Sitze sind breit und auch Beinfreiheit habe ich genügend. An der Grenze zu Kanada steigen Grenzbeamte in den Zug und kontrollieren unsere Pässe. Ich weiß nicht, ob die Herrschaften von Natur aus so freundlich sind oder ob die kanadische Regierung darauf pocht, dass das Klischee der kanadischen Freundlichkeit bei Besuchern gleich bei der Einreise übermäßig bedient wird. Sie unterhalten sich mit einem Pärchen über Pferde, spaßen mit den Fahrgästen und ich erhalte Reisetipps für Kanada. Bevor der Zug losfährt begleiten sie eine Dame aus dem Zug in ihre Wachstube. Wir fahren langsam dran vorbei und ich sehe, wie ein Beamter ihr eine Packung Kleenex rüber schiebt. Sie tut mir zwar irgendwie leid, aber dann denke ich, es hätte sie an anderen Grenzen dieser Welt ohne Visum schlimmer treffen können.

IMG_8117

 

 

Nächster Halt: Montreal

Leave A Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.