Fast jeder hat sie – doch keiner spricht darüber: Angst und Selbstzweifel im Bewerbungsprozess
Angst und Selbstzweifel – die unausstehlichen Mitbewohner im Kopf, die uns einreden, wir seien unzulänglich und haben es einfach nicht drauf. Fast jeder kennt sie, aber keiner spricht (gern) darüber. Umso beeindruckender ist die Offenbarung von Sheryl Sandberg – Geschäftsführerin von Facebook. Sie bekannte bei einer Abschlussrede vor 2.000 Uni-Absolventen in Chicago, dass sie ebenfalls nicht frei von Selbstzweifel sei und trotz ihres bahnbrechenden Erfolges diese ungeliebten Mitbewohner immer mal wieder an ihre Tür klopfen. Warum das so ist und wie du deine Selbstzweifel besser in den Griff bekommen kannst, erfährst du hier.
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Liebes, charismatisches Marketing-Wunderwuzzi – so der Subtext zu dieser Stellenausschreibung: „Wir suchen dich! Die Marketingbranche ist dein Hood. Du bringst bereits einschlägige Berufserfahrung mit und nennst eine abgeschlossene Ausbildung im Bereich Social Media, PR und Kommunikation dein Eigen. Storytelling ist eine deiner größten Stärken und als Digital Native kann dir bei Blogs, Facebook, Twitter und Co. niemand etwas vormachen. Weiters zählt das Ausklügeln von gewieften Marketingstrategien zu deinen Leidenschaften und du bist sowohl ein kreativer Teamplayer als auch ein strategischer Kopf…“
Schluck. Klingt wie der Wunschzettel ans Christkind. Wenn du dich in dieser Stellenausschreibung nicht sofort wiederfindest, muss du die Flinte nicht gleich ins Korn werfen. Hier zwei Strategien, wie du dich an die Wunschposition herantasten kannst:
- Bevor du dich gleich mal als unqualifiziert abstempelst, solltest du bei deiner Motivation anfangen. Überlege dir in einem ersten Schritt: Was reizt mich an dieser Stelle? Versuche die Ausschreibung nicht als bloße Erfüllung von Anforderungen zu lesen. Worin kannst du die Position bereichern, UND welche Perspektive bietet dir diese Stelle für deine berufliche Laufbahn? Auch wenn du nicht alle Anforderungen erfüllst, kann das eine Initialzündung zu einer Gesprächseinladung sein, vor allem dann, wenn du dein Engagement und Interesse für die Stelle klar kommunizierst. Den aufkeimenden Unsicherheitsgedanken „Bin ich eigentlich gut genug?“, schieb beiseite. Stattdessen schnapp dir einen Zettel und schreib auf, was dich an dem Job reizt und welche einschlägige Erfahrungen, Fähigkeiten und vielleicht Ideen du für die ausgeschriebene Stelle in petto hast.
- Bring dein Aushängeschild – die schriftlichen Bewerbungsunterlagen – zum Glänzen und denke daran, dass es vor allem auch auf „die Verpackung“ ankommt! So kann aus einem stinknormalen Ferialjob, bei dem eigentlich das Geldverdienen im Vordergrund stand, eine interessante Berufserfahrung werden, die dir praktische Einblicke in den Bereich Marketing und PR ermöglicht hat. Setz dich gezielt in Szene und überlege, wo es Schnittpunkte zwischen deinen Fähigkeiten und den gewünschten Anforderungen des Unternehmens gibt. Du kannst mehr als du denkst und by the way: Unternehmen machen in Sachen Selbstmarketing ebenfalls keine halben Sachen und hüllen sich gern über manch öde Seite des Berufsalltags in Schweigen.
Was also tun? Beginne bei dir selbst…
… klingt logisch, aber wie? Der Glaube an sich selbst beginnt mit einer realistischen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, Kompetenzen und Stärken. Dabei geht es weder um Hochstapelei noch um Selbstunterschätzung. Was kann ich wirklich gut? Auf welche Erfolge kann ich bereits zurückblicken? Was/wer hat mir dabei geholfen mein Studium erfolgreich abzuschließen? Tausch dich dabei mit Menschen aus, die dich gut kennen und dennoch ehrlich zu dir sind: Wie beschreiben sie deine Talente und Fähigkeiten? Schnapp dir wieder den Zettel und ergänze deine aufgelisteten Erfahrungen um kleine, feine Geschichten. Man nennt dies im Fachjargon auch Storytelling. Geschichten erzeugen konkrete Bilder im Kopf – dein Bewerbungsgespräch und somit deine Person bleiben deinem Gegenüber in Erinnerung! Der Glaube an sich selbst versetzt bekanntlich Berge und ist ein erster wichtiger Schritt aus dem angstmachenden Kopfkino.
Alles geben und dabei locker bleiben
Plötzlich kommt ein Anruf: „Guten Tag. Ihr CV klingt vielversprechend. Wir würden Sie gerne persönlich kennenlernen.“ Super! Du hast es in den engen Kreis der Auserlesenen geschafft. Ein Freudensprung – jetzt heißt es „Alles geben!“ Die Nervosität steigt. Wo vorher das Gefühl der Unsicherheit war, ist jetzt die Angst vor dem Versagen. „Nur ja keinen falschen Eindruck erwecken. Nur ja kein Blackout. Du darfst die einzigartige Chance ja nicht verhauen“, so die Stimme des inneren Antreibers namens Perfektionismus. „Du musst authentisch und eloquent sein. Und auch die Sympathie soll stimmen: Ein freundliches Lächeln, ein überzeugender Händedruck und ein lockerer Smalltalk auf den Lippen.“
Puh, kein Kinderspiel. Dein Magen verkrampft sich. Die Gedanken drehen sich im Kreis und ein innerer Kampf deiner verschiedenen Persönlichkeitsanteile setzt sich in Gang. Während die Stimme des Selbstzweifels besonders laut und dominant ist, verhält sich die Hands-on-Macherin in dir leise und zögerlich. In den Beratungsgesprächen zeigt sich oft, dass bei Berufseinsteigern und Berufseinsteigerinnen die kritische Stimme überwiegt. Sie hämmert: „Ist die Position nicht eine Nummer zu groß für dich? Du wirst dich sicher lächerlich machen. Lass es lieber, du kannst die Mitbewerber ohnehin nicht toppen…“
Ich bin viele: Wie wird aus den mich innerlich zerreißenden Streithähnen ein „inneres Team“?
Friedemann Schulz von Thun, ein bekannter Psychologe und Kommunikationswissenschaftler, wies darauf hin, dass ein Mensch nicht nur eine Persönlichkeit besitzt, sondern verschiedene Persönlichkeitsanteile in sich vereint. Die Anteile stehen im ständigen Austausch miteinander und prägen unser alltägliches Denken. Während ein Mitglied des inneren Teams beispielsweise darauf schaut, das stets genug Geld auf dem Konto ist, frönt ein anderer Anteil gerne der unbeschwerten Lebenslust und dem einen oder anderen Luxusgut. Gibt es zwischen den Anteilen große Widersprüche (z.B. die Vorsichtige vs. die Draufgängerin), wird aus dem inneren Team der Persönlichkeitsanteile ein zerstrittener Haufen. Dies führt unweigerlich zu Problemen in der Kommunikation nach außen und kann in entscheidenden Situationen lähmend wirken. Soweit so klar – aber wie kann man diesem inneren Streitgespräch begegnen?
Wie bei einer Meditation müssen vorerst alle Meinungen gehört und der innere Dialog bewusst geführt werden. D.h. zunächst, dass alle Gedanken, Aussagen und spontanen Äußerungen zu einem Problem wie beispielsweise dem bevorstehenden Bewerbungsgespräch aufgeschrieben werden sollen. Im Anschluss daran geht es darum herauszufinden, welche Persönlichkeitsanteile hinter welcher Aussage stecken. Hinter der Aussage: „Das schaffst du nie!“ steht höchstwahrscheinlich der innere Kritiker, der immer alles perfekt machen will. Formulierungen wie „Der Job könnte langweilig werden“ kommen wohl eher von der abenteuerlichen Teamplayerin, die ein Auge darauf hat, dass der Job ja abwechslungsreich wird und auch interessante Dienstreisen in Aussicht stehen.
Sind die Persönlichkeitsanteile erst einmal ins Bewusstsein getreten, gilt es herauszufinden, wie sie wieder an einem Strang ziehen können. Zum Glück kann jeder zu jedem Zeitpunkt wieder die Regie über den Haufen gewinnen und störende Mitglieder auf die Ersatzbank verweisen, wenn sie in unpassenden Momente die Bühne betreten wollen.
Wer dies selbst ausprobieren will, findet hier eine ganz gute Anleitung: Arbeit mit dem inneren Team nach Friedemann Schulz von Thun. Wer sich im Selbstreflexionsprozess lieber begleiten lässt, kann natürlich auch gern Beratungsangebote wie das von Uniport in Anspruch nehmen.
Du suchst noch nach deiner Berufung?
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Vergiss das Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Sich seiner Ängste bewusst zu werden und diese mit guten Freunden oder der Familie zu teilen, ist bereits ein erster wichtiger Anstoß für Veränderung. Denn das Durchbrechen der Schweigemauer macht meist mit passiven Angstgefühlen Schluss. An die Stelle der diffusen Angst tritt etwas Konkretes, etwas Handhabbares. Für eine angstbesetzte Situation können anlassbezogene Handlungsstrategien entwickelt werden, wodurch die Situation an Dramatik verliert. Häufig hilft auch ein Perspektivenwechsel, da sich durch das Aufzeigen von möglichen Alternativen die Angst reduziert. Der stressbedingte Tunnelblick erweitert sich.
Nicht zu vergessen ist auch die Wirksamkeit von Gedankenexperimenten wie beispielsweise die Kopfstandmethode: Was könnte schlimmstenfalls passieren? Was wäre ein Worst Case Szenario für die bevorstehende Bewerbung? Ein Versprecher? Das gefürchtete Blackout? Eine diffizile Frage, die sich nicht beantworten lässt? Schweißgebadete Hände? Was auch immer deine größte Sorge ist, stelle sie dir vor und entwickle gemeinsam mit vertrauten Menschen ein Handlungsszenario. Was tue ich dann? Du wirst staunen wie lustvoll das sein kann und das Beste daran: Es hilft zu erkennen, dass die Angst vor einer Situation stets schlimmer ist, als der eigentliche Moment!
Epilog – Wenn der „große Auftritt“ nicht zum gewünschten Erfolg führt
Die Tür fällt ins Schloss. Das Bewerbungsgespräch ist vorbei. Die Nervosität fällt ab. Durchatmen. Es ist geschafft. Nun liegt der Ball beim Unternehmen. Wie wird die Entscheidung wohl ausfallen? Bin ich überzeugend gewesen? Hätte ich die Frage zu meinen persönlichen Entwicklungsfeldern nicht doch lieber anders beantworten sollen? In den nächsten Tagen heißt es abwarten und Tee trinken. Das Handy liegt immer griffbereit und mit jedem verstrichenen Tag ohne Anruf steigt die Angst vor einer möglichen Absage. Was ist, wenn ich den Job nicht bekomme? Das innere Team formiert sich wieder zum Streit und die Stimme des Perfektionisten verkündet hämisch: „Du hast es versemmelt – ich hab’s ja von Anfang an gewusst…Du hättest besser…!“
Stopp! Mach dem Frust Luft und sprich darüber. Ratschläge wie: „Nimm es nicht persönlich, die Absage hat nichts mit dir zu tun“ sind zwar wohl gemeint, helfen aber kein bisschen weiter. Denn offen gesagt: Bewerbungsprozesse können sehr mühsam sein und auch das Selbstwertgefühl ins Wanken bringen. Was weiterhilft: Raus aus der Negativspirale. Rauf aufs Rad oder was dir sonst noch gut tut. Auch wenn es in diesem Moment schwerfällt, grüble nicht allzu viel darüber nach, was du möglicherweise „falsch“ gemacht hast. Vielleicht haben einfach die äußeren Umstände nicht gepasst und die Stelle wurde gar nicht oder intern nachbesetzt. Wer weiß. Verstehe die Absage also nicht als Bestätigung deiner Ängste, sondern als Anstoß, auch beim nächsten Mal dein Bestes zu geben. Schau, was in deinem Leben alles gut läuft und beginn wieder dort wo du aufgehört hast: Beim Glauben an dich selbst!