Von Stereotypen, Klischees und der Pornobranche – Unser Interview mit Mia Julia

Von Stereotypen, Klischees und der Pornobranche – Unser Interview mit Mia Julia

„Irgendwie bin ich in die Pornoschiene so reingerutscht. Das war alles nicht geplant – aus Versehen quasi.“ Okay, diese Frau verheimlicht nichts aus ihrer Vergangenheit – eine Mischung aus Staunen und Respekt breitet sich aus.

Aber zum Anfang: Das Story-Team von whatchado bekam einen neuen Auftrag: die Schlagersängerin Mia Julia zu interviewen – ehemals Mia Magma, Pornodarstellerin. Drehort: Palma de Mallorca.

Vor dem Interview zeigten mir (überwiegend männliche) Bekannte Bilder von der Sängerin. Genauer gesagt: Nacktbilder. So viel wollte ich eigentlich gar nicht über sie wissen. Und überhaupt: Wie soll man jemanden behandeln, von dem man auf Fotos mehr gesehen hat als von der besten Freundin? Natürlich bin ich aufgeschlossen und tolerant, denke ich. Ich bin gespannt, wer uns da erwartet.

Die Optik bestätigt das Klischee

Der Tag ist gekommen. Wir fliegen von Wien nach Palma. Der Dreh beginnt. Eine kleine zierliche Blondine stöckelt ans Set: Extensions, künstliche Fingernägel, High Heels, Hotpants, Ausschnitt, viel Schmuck. Die Optik bestätigt das Klischee einer Kunstfigur der perfekten Illusion.

Je länger sie spricht, desto mehr merkt man: Haare, Make-up und Outfit passen nicht zu ihr. Es wirkt fast wie eine Verkleidung. Mia ist viel zu bodenständig. Zu loyal. Sie ist der Typ, mit dem man Pferde stehlen kann, denke ich bei mir. Ihre Ausstrahlung ist einfach sympathisch. Das Lächeln herzlich und ehrlich. Das Gesagte authentisch.

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Nach dem Interview essen wir alle gemeinsam. Mia und ich sitzen nebeneinander. Die Chemie stimmt sofort. Wir quatschen drauf los, lachen viel. Das Gespräch ist ehrlich. Sie quatscht genauso offen über ihre Zeit als Pornodarstellerin wie über ihre Hochzeit. Sie verheimlicht nichts. Das Herz trägt sie auf der Zunge.

Die Pornobranche im Wandel

So erfahre ich auch, dass die Pornobranche im Wandel ist. Richtige Pornostars gibt es nicht mehr, meint Mia Julia, die wirklich letzte sei Vivian Schmitt gewesen. Sie selbst habe zwei Jahre Pornos gedreht, sie war schon erfolgreich. Als sie den Entschluss fasste, aufzuhören, bekam sie von vielen Seiten zu hören, dass sie nur noch ein Jahr durchhalten müsse, dann würde sie wohl genauso erfolgreich sein wie Vivian. Doch das wollte sie nicht.

Die milliardenschwere Branche sei zweigeteilt. In Profis und Amateure. Über Zahlen spricht sie nicht an diesem Abend, doch eines verrät sie: Wenn man als Profi davon leben will, ist es ein knallhartes Business. Die Amateurseiten sprießen aus dem Boden. In Zeiten von Fifty Shades of Grey sind viele Singles und Pärchen versucht, Neues auszuprobieren. So entsteht erstens viel mehr und zweitens kostenloser Content. Durch die einfache Verbreitung im Netz werden Portale überflutet und für professionelle Darsteller wird immer weniger Geld ausgegeben. Zumindest in Europa.

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Von Rockstars und Swinger Clubs

In Amerika werden Pornostars wie Rockstars behandelt. Bodyguards sorgen für ihre Sicherheit. In Deutschland beispielsweise bekommt man nur ein paar Stullen beim Dreh, that’s it. Manche in der Branche müssen sogar Extraservices in Bordellen und Swinger Clubs anbieten, um über die Runden zu kommen.

Für Mia Julia hat es deshalb gereicht. Ihrem 14-jährigen Ich rät sie im whatchado Interview: „Man soll so sein, wie man ist. Man soll sich nicht verbiegen lassen.“ Und: „Hör auf deinen Bauch!“ Für sie hat es eben nicht mehr gepasst in der Pornobranche. Deshalb hörte sie auf. Trotz zahlreicher Einwände.

Wie man eigene Stereotypen aufbricht

Optisch könnten wir nicht unterschiedlicher sein: Maxi gegen Mini, Brünett gegen Blond, natürlich gegen gemacht. Doch wir beide merken beim Essen recht schnell, dass wir vieles gemeinsam haben. Wir sind beide in kleinen Dörfern groß geworden. Sie in Bayern, ich in der Eifel. Kleinkarierte Nachbarn gehörten in der Kindheit dazu. Der Wille auszubrechen, war bei uns beiden seit Kindheit gegeben.

Ich merke, wir sind gar nicht so verschieden. Anders sein zu wollen als die Norm auf dem Land, einfach sein eigenes Ding zu machen. Das ist das Ziel, das wir beide verfolgen. Nur eben auf unterschiedliche Art und in unterschiedlichen Berufen. Sie vor, ich hinter der Kamera.

Mia erzählt im Interview, was sie von Kritikern hält: „Ist mir egal, ob du mich blöd findest. Ich mach trotzdem weiter.“ Diese Einstellung solle man allgemein im Leben haben.

Sie weiß, was sie will. Und sie hat Spaß mit dieser Einstellung. Bewundernswert!

Mein Fazit: Sei mutig und so, wie du bist.

Ich lerne viel über meine vorgegebenen Stereotypen an diesem Abend. Klar, sie entlasten uns im Alltag. Die Schubladen vereinfachen es uns, Menschen per se in Kategorien abzustempeln. In den Sozialwissenschaften gibt es keine eindeutige Definition des Wortes „Stereotyp“. Doch handelt es sich, einfach gesagt, von einer allgemeinen, einfachen und klischeehaften Vorstellung von etwas. Oder eben von jemandem. Und die Umgebung, in der wir aufwachsen, bestimmt natürlich die Denkmuster und Schubladen.

Mein Resultat nach dem Interview mit Ex-Pornosternchen Mia, jetzt die gefeierte Schlagerstimme am Ballermann: Man muss mutig und vor allem wachsam genug sein, seine Stereotypen immer wieder aufzubrechen und das auch zu wollen. Nur, wer den Horizont immer wieder einreißt, kann wachsen. Denn das, was verbindet, ist der Charakter, die Denkweise und die Blickrichtung und nicht die Optik, Herkunft oder der Beruf.