Die Entscheidung, ein StartUp zu gründen – worauf mich niemand vorbereitet hat

Die Entscheidung, ein StartUp zu gründen – worauf mich niemand vorbereitet hat

Ehrlich … hätte ich gewusst, was mir alles bevorsteht, als ich im Oktober 2011 beschloss, dass ich ein StartUp mitbegründe … ich glaube, ich hätte davor noch mal eine Kur und eine halbe Weltreise gemacht.

Jaja, ich weiß eh alles … oder doch nicht?

Nach fast 10 Jahren Berufserfahrung in mehr als 6 Branchen, darunter auch in Leitungsfunktionen, dachte ich, dass ich vieles schon weiß oder auf vieles schon vorbereitet sei. Ich dachte, dass ich mittlerweile damit umgehen kann, wenn sich Unerwartetes vor mir auftut und ich ins kalte Wasser springen muss – auch wenn ich davon (wirklich!) absolut keinen Schimmer habe.

Es war ja sonst in meinem Leben auch nie schwer, mich in unentdeckte Gebiete zu schmeissen, mich Aufgaben und Jobs anzunehmen, von denen ich keine Ahnung hatte, aber bereit war, alles zu lernen, was dafür notwendig war, um diese umzusetzen. Ich war von Kindesbeinen an immer der, dem gesagt wurde, dass “das ja nicht normal sei” wie ich denke und handle – und trotzdem ging es sich immer gut aus, trotz Schrammen und Wunden. Egal ob Schulabbruch, Abendstudium, radikaler Jobwechsel über Branchen hinweg, etc. … alles ging sich irgendwie immer aus, auch wenn es immer eine neue Reise war.

Nein, auf das StartUp Leben bereitet dich nichts vor – zumindest hat mich nichts auf das vorbereitet, was in den folgenden zwei Jahren nach der Gründung folgte. Aus einer kleinen naiven Gruppe von 4 Helden ist eine Truppe von über 30 Personen geworden, die an eine Idee glauben, die ich mit 14 Jahren hatte.

Zwei unserer Mitarbeiter haben sogar Kinder … eine Verantwortung, die mich – als unser erster Mitarbeiter mit Kindern bei uns anfing – fast einen Monat lang nicht schlafen ließ.

Vom Wohnzimmer in die “Firma”

Von einem kleinen 4x4m Büro und meinem Wohnzimmer, in dem die Geschichte seinen Anfang nahm, sind wir in ein echtes Büro mit genug Zimmern für alle Mitarbeiter gezogen und ja, wir haben sogar genug Türen, sodass man in Ruhe arbeiten kann. 5 Toiletten und 2 Kaffeemaschinen runden das Bild des “Unternehmens”, der “Firma”, der “GmbH” ab.

 

Es ist schon verrückt, was das richtige Team zustande bringt … was anfangs als banale Idee begann, ist heute eine der innovativsten HR Lösungen für Österreich, Deutschland und Schweiz mit über 2000 Berufsbildern aus über 5 Kontinenten, ausgezeichnet mit dem UN World Summit Award und erst vor zwei Wochen schrieb die Süddeutsche einen Artikel über uns mit dem Titel “Das Leben der Anderen”.

Ich sitze gerade in der Steiermark in St. Michael, es ist 2:00 früh und ich könnte auf mein Team nicht stolzer sein. Diese Gruppe aus Träumern, Realisten, Optimisten und Pragmatikern hat etwas erschaffen, dass vielen Menschen dabei hilft, sich selbst auf ihrem Weg zu ihrer Berufung zu finden.

Und Ende 2011, kurz vor unserer Gründung, reichte unser Horizont nicht mal ganz aus, um für uns selbst die Frage zu beantworten, ob wir jemals aus Österreich hinaus wollen bzw. hinaus können.

Klar, wir wussten, dass WHATCHADO die ganze Welt vernetzen soll, aber wir trauten uns nicht es auszusprechen, als wir die Dokumente für die Firmengründung vorbereiteten.

Planung vs. “Scheiss drauf, die Chance kommt nie wieder”

Wir waren nicht eine Sekunde darauf vorbereitet, als uns Ende 2012 der erste deutsche Kunde nach Deutschland brachte (nachdem er uns auf einer Konferenz einen Vortrag halten gesehen hatte). Aber wir gingen trotzdem den
Weg international zu werden … auch wenn wir unsere Hausaufgaben für Österreich noch nicht gemacht hatten. Wir mussten damals eine Entscheidung treffen – wollten wir langsam alles aufbauen oder dieChance nutzen.

Diese eine Chance zu nutzen war ein Segen, der uns und unserer geistigen Vorstellung eine Tür öffnete – bei vielen anderen wahrgenommenen Chancen waren es verlorene Liebesmüh‘ und leere Kilometer.

Wenn wir für jedes Mal, als jemand “etwas Tolles” mit uns auf die Beine stellen wollte, es aber mangels Arbeitsmoral und -aufwand wieder ließ, einen EUR bekommen hätten … Boy, wir hätten die Investmentrunde
Anfang 2014 auch mit Kleingeld aufstellen können.

Hast du ein StartUp, ist jede/r um dich ein Experte … wirklich

Es ist ein bisschen so wie beim Fussball. Beim Ländermatch stehen dann plötzlich 40.000 Fussballtrainer auf den Rängen und jeder weiß es besser, weil der eine Freund eines Freundes auch mal in einem Verein einen Ball gekickt hat.

“Geht es langsam an und stresst euch nicht”,
“Ihr müsst jede Chance nutzen”,
“Wenn ihr zu langsam seid, werdet ihr überholt”,
“Lieber mal eine Risikoanalyse machen”,
“Wow, ihr habt es geschafft” (nachdem wir den ersten Kunden hatten),
“Wenn ihr alles kontrollieren könnt, seid ihr das Bottleneck”,
“Wenn ihr nicht mehr die Kontrolle habt, habt ihr einiges falsch gemacht”
“Ihr müsst das investierte Geld verpulvern, damit ihr wachsen könnt”,
“Schaut, dass ihr in den ersten 3 Jahren einen Exit hinlegt”,
“Lenkt das Unternehmen nicht so, als würdet ihr einen Exit hinlegen wollen”
… und so weiter.

So viele Fragen und Möglichkeiten und am Ende des Tages sind es recht einsame Entscheidungen, für die man gerade stehen muss … gerade dann, wenn es die falschen waren.
Und ganz ehrlich … im Nachhinein, mit dem damaligen Wissensstand, würde ich es bei allen Entscheidungen genauso wieder machen. Woher sollte ich es denn auch besser wissen?

Ich habe das Glück, ein Netzwerk von Unternehmern und Gründern um mich zu haben, die ich immer um Rat bitten kann, aber die letzte Entscheidung nimmt einem dann doch niemand ab.

Teilweise klingt es banal, aber es gibt wirklich diese Augenblicke, in denen man absolut nicht weiß, was richtig oder falsch ist und keine Kapazitäten hat, Szenarien zu entwickeln, wie diese oder jene Entscheidung sich auswirken könnte.

Die Reise, für die du dir selbst dein Ticket ausstellst

Ich spreche normalerweise ja immer nur über die tollen Seiten des Gründens, aber manchmal muss man auch mal den Tradeoff ins Licht rücken. Alles im Leben hat seinen Preis, kein Licht ohne Schatten, kein Pro ohne Contra und kein Regenbogen ohne Regen … klingt melodramatisch, ist aber im Grunde eine simple Gleichung und diese findet sich auch in einem StartUp.

Ich erwähnte am Anfang, dass es Dinge gibt, die dir am Anfang niemand sagt und auf die du nicht vorbereitet sein kannst … damit meinte ich aber nicht die oben angeführten Punkte.

Was ich meine – und das ist das Tolle – ist, dass es allen Gründern und Gründerinnen genau so geht.

Schlaflose Nächte, Entscheidungs-Ohnmacht, Selbstzweifel, Ablenkungen, Verlust von Fokus, Müdigkeit, Up and Downs im Tagesrhytmus, Glücksausbrüche in fliegendem Wechsel mit kompletter Verzweiflung, you name it … all das ist das Normalste auf der Welt, wenn man sich auf diese Reise einlässt.

Es sind Dinge, die mich sehr nahe an meine Grenzen und Möglichkeiten bringen und mir zeigen, was mir wichtig ist. Es sind Dinge, die mir vor Augen führen, was noch in mir steckt und was ich bisher nicht
gekannt habe. Es sind Dinge, die mich herausfordern … immer dann, wenn ich etwas schon aufgegeben habe.

Es sind – sieht man zurück – die Dinge, die diese Reise zum Leuchten bringen.

Und um den ersten Satz von diesem Post richtig zu stellen:

Ehrlich … hätte ich gewusst, was mir alles bevorsteht, als ich im Oktober 2011 beschloss, dass ich ein StartUp mitgründe … ich glaube, ich hätte schon viel früher damit angefangen.