Realität und virtuelle Welt werden schon bald miteinander verschmelzen. Das kann nicht nur beängstigend, sondern sowohl für User als auch für Arbeitgeber von Nutzen sein. Mehr über Masterprofil, Datenmanagement und neue Bewerbungswege mittels Virtual Reality erzählt dir unser Gastautor Michael Witt.
Gestern musste ich dann doch dem Wetter zum Trotz mal wieder einen der vielen Video Streaming-Dienste in Anspruch nehmen. Da ich auch einige kostenlose zur Verfügung habe, schaue ich selbstredend immer da zuerst nach und wurde auch schnell fündig: Ich habe mich für den Film „Who am I“ entschieden. Den hatte ich zwar schon gesehen fand aber, er passt sehr gut zu dem Thema, über das ich heute schreiben möchte: Es geht dabei um Technologie und Recruiting. Zwei Welten, die sich nur manchmal suchen und manchmal auch nur finden.
Im Film „Who am I“ geht es um Benjamin aus Berlin, der im realen Leben quasi unsichtbar ist und im Internet alles hacken kann was ihm in den Bildschirm rutscht. Er lernt im Laufe des Films drei neue Freunde kennen, die anfangs witzige Aktionen starten und durch den Wettstreit mit anderen Hackern immer mehr ins kriminelle Umfeld gezogen werden. Ein sehr spannender Film, der aufzeigt, wie einfach es doch sein kann in fremde Netze einzudringen und dort allerhand anzurichten. Der Untertitel macht es deutlich: „Kein System ist sicher“.
Dabei verschwimmt die Welt der Zahlen mit der realen Welt. Es wird sehr schön gezeigt, dass der Einstieg in ein Firmennetz meist in der realen Welt beginnen muss und dann große Auswirkungen auf das Online-Geschehen hat. Dieser Film spielt im Jetzt. Er zeigt, so denke ich, alles, was derzeit möglich und auch machbar ist. Wieso ich ihn aber super finde: Er regt an zu überlegen, was denn morgen ist und was denn übermorgen sein kann. Genau das, was wir im Recruiting auch tun sollten, wenn wir über den Einsatz von Technologie nachdenken.
Das Internet ist für alle da…
Länder zensieren das Internet, Anbieter blockieren Anbieter, Pop-up-Blocker blocken Pop-Ups, Websites passen sich Besuchern an und Angebote und deren Preise variieren nach Uhrzeit, Devices und Standort. Wir haben, wenn wir es genau nehmen, nicht ein Internet mehr, wir haben hunderte, oder zumindest können wir es auf Landesebene zusammenfassen und auf verschiedene Subnetze herunter brechen. Das eine Internet für alle ist Geschichte. Wir User bewegen uns, ohne es zu merken, in diesen verschiedenen Netzen hin und her. Wenn wir Ländergrenzen passieren und wenn wir nach Angeboten suchen, merken wir fast oder gar keine Unterschiede.
Besuchen wir beispielsweise eine Website für die Suche nach Dienstleistungen, können wir ja eigentlich nicht wissen, dass das ein oder andere Angebot fehlt, oder der Preis variiert, wenn ich mein Mobile oder den Desktop nehme und auf die Seite zugreife. Hinter all dem steckt eine große Maschinerie, die versucht, zum einen einzugrenzen, aber zum anderen auch herauszufinden, wer DU bist. Du, der Besucher einer Seite, wirst in Millisekunden „durchleuchtet“ und die Seite passt sich an, denn kein „Du“ ist im Internet sicher. Dadurch entstehen aber auch, nehmen wir einmal die Zensur weg, neue Ansprüche auf Seiten der User, die sich immer mehr daran gewöhnen, auf sie abgestimmte Du-Seiten zu gelangen. Das Massenphänomen Internet wird zum individuellen Einzelerlebnis. Oder soll es zumindest werden. Ganz so, wie es eine gute Candidate Journey auch sein sollte.
Neuer Jobwunsch: Avatar-Designer?
Wir alle haben uns im Netz verschiedene Du-Profile angelegt: Im Kontext der Jobsuche vielleicht in verschiedenen Talentpools meiner Wunscharbeitgeber, bei einigen Jobbörsen, bei Businessnetworks, und noch ein, zwei Job-Apps, für meine Hobbies und über mein Sportarmband habe ich auch noch weitere Profile. Dann kommt noch die ein oder andere Einkaufsplattform dazu, vielleicht ein Buchungsportal für Hotels und Reisen, die Seite für die städtischen Verkehrsbetriebe und dann noch paar Social Media Plattformen und Social Networks. Da kommt dann doch allerhand zusammen, ob man will oder nicht. Ganz schön viele Du’s.
Im Buch „Die Vernetzung der Welt“ gehen die beiden Autoren so weit, dass wir deswegen irgendwann gezwungen sein werden, all unsere Profile und vor allem deren enthaltene Informationen in eine Art Superprofil oder Masterprofil, egal wie man es nennen mag, zusammenzuführen. In diesem Masterprofil sind dann alle Daten hochgeladen, die es über mich gibt. Also auch Gesundheitsdaten, Schulnoten, Kontostände und meine Beziehungen mit und zu anderen Menschen. Damit ich dann alles immer und überall parat habe, liegt natürlich es praktischerweise in der Cloud. Eigentlich gar kein so abwegiger Gedanke, da zum einen die ganzen Daten ja quasi eh schon im Netz sind, oder zumindest in digitaler Form vorliegen, und zum anderen kann ich dann bestimmen, aus einer zentralen Stelle heraus, wer wann wieviel meines virtuellen Du bekommt.
Du suchst noch nach deiner Berufung?
Spannende Stories gepaart mit ganz viel Information – das ist der whatchaBLOG und unsere Berufung. Und was ist deine?
Auch für die Jobsuche kann dieses Masterprofil für beide Seiten gut funktionieren. Die ersten Tools für das Messen von Kultur sind auf dem Markt, mein virtuelles Du weiß, in welcher Kultur ich mich am wohlsten fühle, da es ja auch meine Gesundheitsdaten kennt. Dann können sich ja das virtuelle Unternehmens-Du und mein freigegebenes Job-Masterprofil einmal drüber unterhalten und sehen ob weitere Daten von mir zur Bewerbung zu Verfügung gestellt werden.
Wir werden dann aber auch darauf hinsteuern, dass wir zwei Identitäten entwickeln werden: Eine offline und eine online Identität. Das kann gefährlich sein, muss es aber nicht. Es kann, und wird auch bestimmt neue Berufe geben, die uns dabei helfen, die virtuelle und die reale Welt miteinander zu verknüpfen und zu designen. Im online Bereich ist es dann bestimmt der „Avatar-Designer“.
Der Bewerbungs-V.I.S.O.R
Diese Technologien werden auch im Recruiting ihre Wirkung zeigen. Zu allererst beginnen wir ja auch immer mit der Suche nach dem DU. Zum einen ich als Bewerber frage mich selbst „Wer bist du denn so beruflich?“ Und ich als Recruiter frage dann „Wer bist denn du und woher kommst du?“
Ich glaube, hier hat uns die Technik oder auch Plattformen, wie diese, bei der ich heute zu Gast sein darf, schon vieles abgenommen, werden es aber noch viel mehr tun. Aber da geht noch mehr. Als Brillenträger warte ich schon seit langem auf endlich funktionierende Datenbrillen, die ich auch im „normalen“ Leben tragen und sinnvoll einsetzen kann. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist der V.I.S.O.R, den Commander La Forge von der Enterprise trägt. V.I.S.O.R steht für Visual Instrument and Sensory Organ Replacement und ist, kurz gesagt die Seh- und Arbeitshilfe für Commander La Forge. Hier zeigt Star Trek wiedermal frühzeitig einen der kommenden Trends unserer Zeit, denn neben der konsequenten Individualisierung des Internets, der Ausbildung einer eigenen online Identität, werden technische Geräte und wir miteinander verschmelzen. Wir werden technische Sender, Sensoren und Chips zunehmend in uns haben.
Nehmen wir einmal an, es gäbe einen funktionalen, tragbaren V.I.S.O.R für uns alle, so könnte mit diesem Gerät und der Technik Near Field Communication (NFC) jedem Besucher eines Ladengeschäftes das passende whatchado-Video angeboten und eingespielt werden und wenn es ihm gefällt, kann ihm gleich hinterher der direkte Weg zum Recruiter via AR auf den Boden eingeblendet werden. Dann lernen sich zwei Du’s real kennen. Sicherlich ein Beispiel, das ein wenig überspitzt ist, aber wir sind auf dem Weg dahin bzw. all diese Technologien existieren bereits (wenn wir mal die Google Datenbrillen als gegeben akzeptieren). Wir müssen sie nur neu anordnen und im Recruiting-Kontext denken.
Noch mehr spannende Stories?
Mehr als 5000 Videos, 100 Berufsbilder und 200 Unternehmen sind bereits dabei. Und wo bist du?
Das Recruiting hat, so denke ich, eine wichtige Gatekeeper-Funktion zu erfüllen, wenn es um den Einsatz von Technologie geht. Es muss darauf achten, wo und warum Technologie zum Einsatz kommt und wo und warum es Menschen bedarf. Es geht immer um ein Du und Du im Prozess. Denn diese müssen zusammenkommen und eine gemeinsame Job-Wegstrecke gehen. Das Recruiting darf sich aber keinesfalls der schnellen technologischen Entwicklungen verschließen und sollte immer mal schauen, welche dieser neuen Technologien vielleicht doch sinnvoll einzusetzen wären.